Gründung und Anfänge (1993–1995)
Thumb wurde 1993 in Gütersloh, Nordrhein-Westfalen, gegründet. Die ursprüngliche Besetzung bestand aus Claus Grabke (Gesang), Axel Hilgenstöhler (Gitarre), Jan-Hendrik Meyer (Bass), Steffen Wilmking (Schlagzeug) und Jens Gössling (Turntables, Keyboard). Die Band entwickelte früh einen eigenen Stil, der sich aus Hardcore, Rap, Alternative Rock und Metal speiste.
1994 nahm die Band ihre ersten Demos auf, die Frontmann Claus Grabke auf der Popkomm in Köln aktiv verteilte, was ihnen erste Aufmerksamkeit in der Musikszene einbrachte. Im März 1995 unterzeichnete Thumb einen Plattenvertrag bei EMI Electrola. Am 14. September desselben Jahres erschien ihr selbstbetiteltes Debütalbum „Thumb“, das den Grundstein für ihren Erfolg in der deutschen Crossover- und Alternative-Szene legte. Das Album wurde von Szene-Magazinen und Fanzines begeistert aufgenommen und machte die Band schnell über die Subkultur hinaus bekannt.
Durchbruch und Erfolge (1995–1998)
Mit dem Erfolg des Debütalbums spielte Thumb zahlreiche Konzerte und begleitete internationale Größen wie Bad Religion, Dog Eat Dog, Henry Rollins, Beatsteaks und Such a Surge auf ihren Tourneen. Besonders in der Skateboard- und Snowboard-Szene gewann die Band rasch Kultstatus – nicht zuletzt aufgrund von Claus Grabkes eigener Vergangenheit als einer der erfolgreichsten deutschen Skateboard-Profis der späten 1980er Jahre.
Am 5. Mai 1997 erschien das zweite Studioalbum „Exposure“, produziert von Dennis Ward, das Platz 19 der deutschen Albumcharts erreichte und sich sechs Wochen dort hielt. Musikalisch war das Album ausgereifter und vielseitiger als das Debüt, mit einem stärkeren Fokus auf Melodie und Produktion. Das Musikmagazin Visions wählte „Exposure“ später auf Platz 57 der Liste der „100 wichtigsten Alben der 1990er Jahre“.
1998 folgte ein weiterer Höhepunkt: Thumb nahm an der renommierten Vans Warped Tour in den USA teil, bei der sie in nur drei Wochen dreizehn Auftritte vor insgesamt rund 180.000 Zuschauern absolvierten. Damit war Thumb eine der wenigen deutschen Bands, die auf dieser international bedeutenden Tour vertreten waren.
Krise und drittes Album (1999–2001)
Nach intensiven Tourjahren und interner Erschöpfung legte die Band eine kreative Pause ein. Erst im Frühjahr 2000 begannen die Arbeiten am dritten Album. Während der Aufnahmen kam es zum Ausstieg von Gitarrist Axel Hilgenstöhler, der durch Axel Pralat ersetzt wurde. Die bereits entstandenen Songs wurden verworfen, da die Band sich zu einem vollständigen Neuanfang entschied – musikalisch wie strukturell.
Das Ergebnis dieser Neuorientierung war das am 21. Mai 2001 veröffentlichte dritte Album mit dem schlichten Titel „3“. Das Album war härter, düsterer und experimenteller als seine Vorgänger und erreichte Platz 59 in den deutschen Charts. Kritisch wurde es gemischt aufgenommen: Während einige die musikalische Weiterentwicklung lobten, vermissten andere den melodischen Zugang früherer Werke.
Auflösung und Nachwirkungen (2001–2005)
Nach der Tour zum dritten Album wurde es zunehmend still um Thumb. Die Mitglieder begannen sich musikalisch neu zu orientieren:
- Steffen Wilmking stieg bei H-Blockx ein,
- Jan-Hendrik Meyer spielte bei Hudson,
- Claus Grabke widmete sich unter anderem den Alternative Allstars,
- Axel Pralat schloss sich der Hardcore-Band Waterdown an.
Im Jahr 2005 veröffentlichte Thumb ein letztes offizielles Statement, in dem sie ihre endgültige Auflösung bekannt gaben. Darin hieß es:
„Es wird weder an neuen Songs gearbeitet, noch an einem neuen Album. Jeder geht seine eigenen Wege nach und es sieht nicht so aus, als würden sich die Wege in absehbarer Zeit wieder kreuzen. […] Es würde leider keinen Sinn machen, hier eine große THUMB-Reunion anzukündigen.“
Einige Jahre später kursierten zwar Gerüchte über eine mögliche Wiedervereinigung, doch es kam nie zu einer offiziellen Reunion oder neuen Veröffentlichung.
Musikalischer Stil und Bedeutung
Thumb verband Hardcore, Crossover, Alternative Metal und Nu Metal mit Elementen aus Rap, Funk, Elektronik und Turntablism. Charakteristisch für ihren Sound waren wuchtige Gitarrenriffs, tighte Rhythmen, melodische Refrains und energische Rap-Vocals. Die Texte, meist aus der Feder von Claus Grabke, waren gesellschaftskritisch, persönlich und oft von einer rebellischen Haltung geprägt.
Die Bandmitglieder bekannten sich überwiegend zu einem vegetarischen oder veganen Lebensstil und lehnten den Konsum von Alkohol ab – ohne sich jedoch explizit als Teil der Straight-Edge-Bewegung zu verstehen. Auch visuell und stilistisch verkörperte die Band eine Mischung aus Skatepunk-Attitüde, Urban Culture und Subkultur-Bewusstsein.
Fazit
Thumb zählt zu den bedeutendsten deutschen Crossover-Bands der 1990er Jahre. Mit ihren energiegeladenen Live-Auftritten, ihrer stilistischen Vielseitigkeit und ihren kritischen Texten prägten sie nicht nur die Alternative-Musikszene, sondern beeinflussten auch nachhaltig die Skater- und Jugendkultur der Zeit. Ihr innovativer Sound und ihre kompromisslose Haltung machten sie zu einem Aushängeschild einer Generation, die sich zwischen Protest und Popkultur bewegte.
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